EU Einrichtung eines European Single Access Points (ESAP)
Vorläufige Politische Einigung im Trilog erzielt
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 23. Mai 2023 verkündet, dass im Zuge der Trilogverhandlungen eine vorläufige politische Einigung zur Einrichtung des European Single Access Points (ESAP) erzielt wurde.
Die vorläufigen Kompromisstexte sind hier abrufbar. Diese Textfassung ist der Stand, der im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bereits gebilligt wurde. In den kommenden Wochen muss diese Textfassung als politische Einigung auf Ebene des Ministerrats und vom Plenum des Europäischen Parlaments noch formell beschlossen werden.
In der Mitteilung des Rats der Europäischen Union wird insbesondere zum Zeitplan der ESAP-Einführung Stellung bezogen. Demnach soll die ESAP-Plattform voraussichtlich ab Sommer 2027 verfügbar sein. Die über ESAP zugänglich zu machenden Informationen sollen schrittweise über einen Zeitraum von vier Jahren in den ESAP aufgenommen werden. Dabei sollen Nachhaltigkeitsinformationen frühzeitig zugänglich gemacht werden, um die Ziele des Europäischen Green Deals zu unterstützen.
Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments vom 31. Januar 2023
Am 31. Januar 2023 hat der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) seinen Bericht zum Legislativvorschlag der Europäischen Kommission zur Einrichtung des European Single Access Point (ESAP) vorgelegt (siehe Pressemitteilung des Europäischen Parlaments).
ECON betont, dass ESAP keine neuen Berichtsanforderungen schaffen, sondern stattdessen auf bestehenden Offenlegungspflichten, Verfahren und Infrastrukturen aufbauen soll. Zudem sprach sich ECON dafür aus, dass ESAP auch Informationen zur Verfügung stellen sollte, die ein EU-Unternehmen freiwillig veröffentlicht hat. Jeder EU-Mitgliedstaat soll dazu mindestens eine Institution bestimmen, die solche Informationen sammelt. Die freiwillig zur Verfügung gestellten Informationen sollen ein einheitliches Format haben und in Bezug auf Inhalt, Aussagekraft, Nutzen und Zuverlässigkeit mit den gesetzlich verpflichtend zu übermittelnden Informationen vergleichbar sein. Personenbezogene Daten sollen dabei nicht in ESAP aufgenommen werden.
Zugleich hat ECON sich dafür ausgesprochen, interinstitutionelle Verhandlungen aufzunehmen.
Standpunkt des Europäischen Rats vom 29. Juni 2022
Der Europäische Rat hat am 29. Juni 2022 seinen Standpunkt zum Legislativvorschlag der Europäischen Kommission festgelegt.
In seinem Standpunkt teilt der Europäische Rat auch eine Veränderung des vorgesehenen Zeitplans der schrittweisen Einführung der ESAP-Plattform mit. Demzufolge sollen wesentliche Teile nicht bereits – wie ursprünglich geplant – 2024, sondern nunmehr erst ab 2026 in Betrieb genommen werden. Die Komplettierung der Plattform inkl. sämtlicher Funktionalitäten soll bis 2030 abgeschlossen sein.
Der Europäische Rat betont in seinem Standpunkt zudem, dass bei der Datenübermittlung an ESAP soweit wie möglich auf bestehende Infrastrukturen und Meldekanäle aufbauen soll. Dabei soll den EU-Mitgliedstaaten bei der nationalen Umsetzung eine möglichst große Flexibilität gewährt werden, um die Datenerhebung durch die Sammelstellen sowie die Übermittlung an ESAP möglichst effizient gestalten zu können.
Mehr Details finden sich in einer Pressemitteilung des Europäischen Rats.
Legislativvorschlag der Europäischen Kommission vom 25. November 2021
Die Europäische Kommission hat am 25. November 2021 einen Legislativvorschlag zur Einrichtung eines einheitlichen Zugangspunkts für finanz- und nachhaltigkeitsbezogene Unternehmens- und Produktinformationen (European Single Access Point, ESAP) veröffentlicht (Pressemitteilung und dazugehörige Dokumente). Dieser bei der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA einzurichtende Zugangspunkt ist die bedeutsamste Maßnahme des im September 2020 veröffentlichten EU-Aktionsplans zur Stärkung der Kapitalmarktunion.
Der Legislativvorschlag umfasst den Entwurf einer Verordnung zur Einrichtung des ESAP sowie die Entwürfe einer Omnibus-Verordnung und einer Omnibus-Richtlinie zur Änderung jener zahlreichen Rechtsakte, in denen die meldepflichtigen Informationen verortet sind. Hierzu zählen beispielsweise die Bilanz-Richtlinie, die Transparenz-Richtline und die Aktionärsrechte-Richtlinie. Der Aufbau des ESAP erfolgt gestaffelt. So soll die neue Meldepflicht für die gemäß der Transparenz-Richtlinie offenzulegenden Informationen ab dem 1.1.2024 und für die gemäß der Bilanzrichtlinie offenzulegenden Informationen ab dem 1.1.2025 gelten. Informationen sollen auch auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt werden können. Dies soll nicht-börsennotierten Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), eine höhere Sichtbarkeit und einen erleichterten Kapitalzugang ermöglichen.
Parallel zur Veröffentlichung des Legislativvorschlags hat die Europäische Kommission ein Konsultationsverfahren eröffnet (weitere Informationen). Rückmeldungen zum Legislativvorschlag waren bis zum 29. März 2022 möglich.
Das DRSC hat am 24. März 2022 seine Stellungnahme zum ESAP-Legislativvorschlag an die Europäische Kommission übermittelt.
DRSC-Stellungnahme zum ESAP-Legislativvorschlag
Die Gesetzesinitiative wird in der DRSC-Stellungnahme als wichtig eingestuft und auch die grundsätzliche Zielsetzung des Legislativvorschlags begrüßen wir ausdrücklich. Jedoch wird die konkrete Ausgestaltung der nachgelagerten Level 2-Maßnahmen für die Zielerreichung und den damit verbundenen Aufwand für die Unternehmen entscheidend sein, diese Maßnahmen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend beurteilbar.
Positiv merken wir an, dass keine neuen Berichtspflichten geschaffen, sondern nur neue Meldepflichten/-wege installiert werden sollen und dem file only once-Prinzip bei der Datenübermittlung gefolgt werden soll.
Sowohl der von der Europäischen Kommission zur Errichtung des ESAP skizzierte Zeitplan bis zum 31. Dezember 2024 als auch der Umfang der zugänglich zu machenden Informationen sowie die intendierten Funktionalitäten von ESAP wurden als sehr ambitioniert eingeschätzt. In einem ersten Schritt sollten daher vorrangig solche Informationen im ESAP zugänglich gemacht werden, die die Finanzmarktteilnehmer zur Erfüllung eigener Berichterstattungspflichten benötigen (wie z.B. Informationen nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), der Taxonomie-VO sowie künftig der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)).
Zudem regen wir an, die im Rahmen der Einführung des elektronischen Berichtsformats ESEF (European Single Electronic Format) gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse bei ESAP zu berücksichtigen. Angeregt wird die Einrichtung eines Forums zum Austausch von Umsetzungsfragen und Anwendungsfragen nach der Implementierung des ESAP. Zudem sollte ein verbindlicher Prozess zur Lösung von technischen und fachlichen Anwendungsfragen eingerichtet werden.
Ferner wird auf die Wechselwirkungen des Legislativvorschlags mit dem Entwurf der CSRD eingegangen. Durch den ESAP-Legislativvorschlag sollen zwar lediglich die Bestimmungen der Bilanz-Richtlinie zur Offenlegung geändert werden. Hingewiesen wird jedoch darauf, dass wegen der im Entwurf der CSRD vorgeschlagenen Festlegung des ESEF als Format der Erstellung des (konsolidierten) Abschlusses und (konsolidierten) Lageberichts dieselben formaljuristischen Fragen der elektronischen Aufstellung des (konsolidierten) Abschlusses – die seinerzeit bei der Einführung des ESEF in Deutschland diskutiert wurden – zu erwarten sind (wie z.B. in Bezug auf die Informationsrechte der Gesellschafter sowie die Prüfung des elektronischen Formats).
Weitere Aktivitäten des DRSC
Zum Legislativvorschlag der Europäischen Kommission hat das DRSC ein Briefing Paper veröffentlicht. Das DRSC gibt mit dem Briefing Paper einen Kurzüberblick über die Ausgestaltung des Legislativvorschlags, welcher EU-weit ca. 167 000 Ersteller bzw. Meldepflichtige sowie über 200 bestehende Berichtspflichten in 37 EU-Rechtsakten betrifft.
Zudem hat das DRSC am 16. März 2022 eine Online-Podiumsdiskussion zum Legislativvorschlag der Europäischen Kommission durchgeführt. Im Rahmen der Veranstaltung stellte zunächst ein Vertreter der Generaldirektion FISMA der Europäischen Kommission überblicksartig die Inhalte des Legislativvorschlags der Europäischen Kommission vor.
Es schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Dabei beleuchteten die Panelteilnehmer den Kommissionsvorschlag aus verschiedenen Perspektiven. Neben dem Kommissionsvertreter Jean-Philippe Rabine (Unit Corporate Reporting, Audit and Rating Agencies) nahmen als User-Vertreter Tim Ockenga (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.), als IT-Spezialist Richard Bössen (AMANA consulting GmbH) sowie als Erstellervertreter Gero Bothe (Deutsche Pfandbriefbank AG) jeweils Stellung. Im Rahmen der Diskussion erörterten die Podiumsteilnehmer u.a. die folgenden Aspekte des ESAP-Legislativvorschlags:
- Zielsetzung des ESAP-Legislativvorschlags
- Zur Rollenverteilung: Standortpolitik für die EU vs. Mitgliedstaaten
- Kritische Erfolgsfaktoren für die Erreichung der Ziele von ESAP
- Chancen im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Durch die verschiedenen Sichtweisen erhielten die Teilnehmer vertiefte Einblicke in ausgewählte Aspekte des Legislativvorschlags. Darüber hinaus bot die Veranstaltung den Teilnehmern die Gelegenheit, sich im Rahmen einer offenen Fragenrunde (Q&A) zu ESAP auszutauschen.
Hintergrund des Legislativvorschlag
Im September 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission einen neuen Aktionsplan zur Kapitalmarktunion unter dem Titel „Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan“. Dieser zielt ab auf:
- die Gewährleistung einer grünen, digitalen, inklusiven und widerstandsfähigen wirtschaftlichen Erholung in der EU, indem europäischen Unternehmen, insbesondere KMU, der Zugang zu Finanzierungen erleichtert wird;
- die Ausgestaltung eines EU-Finanzplatzes, an dem Privatpersonen in einem noch sichereren Umfeld als bisher langfristig sparen und investieren können;
- die Integration der nationalen Kapitalmärkte in einen echten EU-weiten Kapitalbinnenmarkt.
Zur Umsetzung dieser Ziele sieht die Europäische Kommission insgesamt 16 Maßnahmen vor. Hierzu zählt die Einrichtung eines einheitlichen europäischen Zugangspunkts für Unternehmensdaten. Dieser soll einen nahtlosen Zugriff zu finanz- und nachhaltigkeitsbezogenen Unternehmensinformationen ermöglichen. Die Einrichtung eines einheitlichen europäischen Zugangspunkts für Unternehmensdaten wird im Aktionsplan als erste Maßnahme aufgeführt. Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert, der dieser Maßnahme beigemessen wird.
Bisherige Befassung des DRSC
Dem nunmehr von der Europäischen Kommission vorgelegten Legislativvorschlag ist die Veröffentlichung einer „Roadmap“ (im Dezember 2020) nebst einer Konsultation zu diesem Vorhaben (im Januar 2021) in Form eines Online-Fragebogens vorausgegangen. Das DRSC hatte sich in seinen Fachgremien mit diesen Vorschlägen befasst und am 4. März 2021 eine Stellungnahme an die Europäische Kommission übermittelt.
Das DRSC misst einem einheitlichen EU-Zugangspunkt für Unternehmensdaten (European Single Access Point, ESAP) eine zentrale Bedeutung zu.
Der Verwaltungsrat des DRSC empfiehlt in einem Schreiben an die Kommission
- so weit wie möglich nationale Datenquellen zu nutzen und nationale Daten besser in den Gesamtansatz der EU einzubeziehen,
- keine zusätzlichen Berichtsanforderungen einzuführen und einem “file only once”-Prinzip zu folgen,
- den praktischen Herausforderungen durch eine gestaffelte Einführung von elektronischen Meldepflichten Rechnung zu tragen.
Für ratsam hält der Verwaltungsrat, mit den jeweils aktuell verwendeten Formaten und Initiativen wie ESEF zu beginnen. Andere Informationen sollten erst dann elektronisch hinterlegt werden, wenn es eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt. Hinsichtlich der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von unternehmensbezogenen ESG-Daten in ESAP räumt der Verwaltungsrat ein, dass aufgrund der spezifischen Offenlegungsanforderungen des Finanzsektors eine besondere Dringlichkeit besteht. In diesem Zusammenhang sollte ein pragmatischer Ansatz für die zeitnahe Bereitstellung solcher ESG-Daten in ESAP im Mittelpunkt der Überlegungen der Europäischen Kommission stehen.
Die Antworten des DRSC auf ausgewählte Aspekte des Konsultationsfragebogens sind hier einsehbar.
Im Mai 2021 hat die Europäische Kommission einen Summary Report über zur Konsultation eingegangenen Rückmeldungen veröffentlicht.